Libanon: Rebellischer Hip-Hop aus Nahr al-Bared Camp a-films - 03.01.2010 12:50
Abends in den unbeleuchteten Stra�en des Fl�chtlingslagers Nahr al-Bared durch kn�cheltiefen Dreck stapfend irritieren die Hip-Hop-Kl�nge aus den H�usern und H�tten der Fl�chtlinge. Doch die Reime entstanden im Camp � und sind �u�erst mutig.  MC Tamarrod "Ich trage Sorgen / aus dem Inneren eines zerst�rten Camps / Ich bereite einen Angriff vor / Worte drehen sich in meinem Kopf / Nahr al-Bared ist mit Eisenst�ben eingez�unt / In den Zeitungen berichten sie �ber das Leid / Jedes Wort macht Sinn." Farhan Abu Siyam (21) ist Nahr al-Bareds erster und einziger Rapper. Sein K�nstlername lautet 'MC Tamarrod' oder zu deutsch: MC Rebellion. In Libanons pal�stinensischen Fl�chtlingslagern Nahr al-Bared und Bourj al-Barajneh aufgewachsen, wei� er, dass Hip-Hop in der pal�stinensischen Gesellschaft umstritten ist: "Viele Leute m�gen Rap nicht weil sie gegen westliche Musik oder Elemente wie den Takt sind," erkl�rt Abu Siyam. Er fordert die Gesellschaft auf, Rap eine Chance zu geben und betont, dass er nicht einer fremden Sprache singe, sondern arabische W�rter und Stra�en-Slang ben�tze: "Ich rappe in unserem pal�stinensischen Dialekt, in der Sprache der Camps, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Abu Siyams Inspirationsquellen sind Rap-Crews wie Katibe 5' und 'I-Voice' aus Beiruts Fl�chtlingslager Bourj al-Barajneh und Hip-Hop-Gruppen aus Pal�stina wie 'Ramallah Underground' oder 'DAM', welche als Gr�nder des pal�stinensischen Hip-Hops gelten. Ihr Stil ist alles andere als oberfl�chlich und auf pure Unterhaltung oder Kommerz aus. Pal�stinensische Rapper sind meist durch ihre Herkunft gezeichnet, betonen ihre marginalisierte, unterdr�ckte Stellung und betrachten ihre Worte als Waffen in ihren politischen und sozialen K�mpfen. MC Tamarrod nimmt kein Blatt vor den Mund. Er rappt �ber das miserable Leben in Nahr al-Bared nach dem Krieg. Mit dem autonomen Medienkollektiv 'a-films' produzierte er neulich einen kurzen Video-Clip: http://a-films.blogspot.com/2009/12/09dec17de.html Vor einer mit Einschussl�chern �berzogenen Wand eines ausgebrannten Hauses gestikulierend thematisiert er den zerst�rerischen Krieg von 2007: "Du fragst mich was passierte? / Jene, die zuschlugen, rannten davon / Jene die vorbeikamen, pl�nderten / Und einige von ihnen legten Feuer." Vor zweieinhalb Jahren wurde das Fl�chtlingslager Nahr al-Bared im Norden Libanons in und nach einem Krieg zwischen der libanesischen Armee (LAF) und der militanten, nicht-pal�stinensischen Gruppe Fatah al-Islam, vollst�ndig zerst�rt. Heute leben zwei Drittel der EinwohnerInnen des Camps in seinem �u�ersten Bereich in besch�digten H�usern und tempor�ren Unterk�nften. Abu Siyam sagt, viele Leute h�tten �ber Nahr al-Bared gesungen und gesprochen, "aber niemand �u�ert sich zum Krieg, unserer Hoffnungslosigkeit und Unterdr�ckung." Nahr al-Bared ist nach wie vor abgeriegelt und gilt als milit�rischen Sperrzone. Die LAF unterhalten f�nf Checkpoints an den Eing�ngen zum Camp. Zutritt ist nur mit speziellen Bewilligungen m�glich, welche beim Armeegeheimdienst beantragt werden m�ssen. JournalistInnen k�nnen nicht frei arbeiten. "Wir sind umzingelt und leben wie in einem Gef�ngnis. In anderen Fl�chtlingslagern k�nnen die Menschen auf normale Weise kommen und gehen," klagt Abu Siyam. Die Armeepr�senz in und um Nahr al-Bared ist eines der Hauptthemen, �ber die MC Tamarrod rappt: "Ich bin Pal�stinenser und unterwerfe mich eurer Armee nicht / Stoppt den Bau dieser Mauer! / Vom ersten Moment an begriff ich, was ihr wolltet: / 'Zeig mir deinen Ausweis, wo ist die Bewilligung?'" Die libanesische Armee bezeichnet die Checkpoints und Bewilligungen als notwendig um die Sicherheit der Menschen zu gew�hrleisten, "indem die Infiltration von Terroristen und gesuchten Personen, der Schmuggel von Waffen, Sprengstoff und illegalem Material verhindert wird." Viele Fl�chtlinge in Nahr al-Bared f�hlen sich durch die LAF aber gedem�tigt und unterdr�ckt. Abu Wissam Gharib, Chef der Volksfront f�r die Befreiung Pal�stinas (PFLP) sagt, es sei nachvollziehbar, dass der Krieg der Armee bedurfte, "aber wieso zog das Milit�r nicht ab, als der Krieg vor�ber war?" Er wundert sich, weshalb er in ganz Libanon mit seinem Ausweis herumreisen kann, aber f�r die R�ckkehr in sein Zuhause in Nahr al-Bared eine Bewilligung ben�tigt. Abu Siyam nimmt seine Songs im Studio 'al-Mukhayyamat' im Fl�chtlingslager Bourj al-Barajneh auf. Das Camp in der s�dlichen Peripherie Beiruts ist die Geburtsst�tte pal�stinensischen Hip-Hops in Libanon und beherbergt die Rap-Gruppen 'I-Voice' und 'Katibe 5'. Beide Crews k�mpfen mit ihren Worten nicht nur gegen die verschiedenen Formen der Diskriminierung der ungef�hr 250.000 Pal�stinenserInnen im Libanon, sondern greifen auch das Establishment ihrer eigenen Gesellschaft an. Sie beschuldigen NGOs und die politischen Parteien der Korruption und des Verrats an der pal�stinensischen Sache. Ebenso MC Tamarrod: "Die Parteien sind heuchlerisch / ihre Autorit�t dumm / verst�rkt durch L�gen / Ihre Politik ist verr�ckt." Abu Siyam ist sich seiner starken Worte bewusst, doch betont er: "Wir sind nicht gegen die libanesische Ordnung, aber sie enthalten uns unsere Rechte vor." Junge Pal�stinenserInnen in Abu Siyams Alter sehen meist keine positive Zukunft im Libanon. Emigration ist oft ihr einziges Ziel. Viele haben die Hoffnung verloren, dass den pal�stinensischen Fl�chtlingen nach 60 Jahren Anwesenheit im Libanon doch noch Arbeits- und Eigentumsrechte gegeben werden. Als neulich eine Delegation aus Geberl�ndern Nahr al-Bared besuchte, organisierten BewohnerInnen der tempor�ren Unterk�nfte einen Protest. Sie forderten allerdings nicht etwa mehr Hilfe, sondern Visa zwecks Emigration. Die Zerst�rung des Fl�chtlingslagers und seines einst lebendigen Marktes, der stockende Wiederaufbau und die andauernde Belagerung des Camps durch die LAF haben die Verbreitung von Arbeitslosigkeit beg�nstigt. Charlie Higgins, Projektmanager der UNO-Agentur f�r Pal�stina-Fl�chtlinge (UNRWA) f�r Nahr al-Bareds Wiederaufbau beschreibt die �konomische Situation im Camp als "festgefahren." Er sagt, weder habe sich die Wirtschaft regeneriert, noch habe sich die Besch�ftigungssituation seit Kriegsende verbessert. MC Tamarrod hofft indes, dass es im Falle eines Wiederaufbaus Nahr al-Bareds einst ein Studio im Camp geben werde, wo er seine Rap-Songs aufnehmen k�nnte. Im Fl�chtlingslager Beddawi, dem zweiten Camp in der N�he der nordlibanesischen Stadt Tripoli, ist die Infrastruktur zwar vorhanden, aber die Produktion eines Songs kostet zwischen 200 und 250 US-Dollar. Gegenw�rtig arbeitet MC Tamarrod an zwei neuen Hip-Hop-Songs � er wird wiederum nach Beirut fahren m�ssen, um sie aufzunehmen. Website: http://a-films.blogspot.com |