SOS f�r Kolumbien VOZ de la Nueva Colombia - 30.10.2004 22:47
Bedr�ngt durch eine Vernichtungskampagne bitten Gewerkschafter und andere Aktivisten um Unterst�tzung und klagen die Regierung sowie die negativen Auswirkungen der "demokratischen Sicherheit" an.  Bedr�ngt durch eine Vernichtungskampagne bitten Gewerkschafter und andere Aktivisten um Unterst�tzung und klagen die Regierung sowie die negativen Auswirkungen der "demokratischen Sicherheit" an. SOS f�r Kolumbien Ana Zarzuela Kolumbien ist ein Land der traurigen Rekorde: Jeden tag werden 58 Morde registriert, jedes Jahr werden ca. 3.000 Personen entf�hrt. Diese Rekordmarken erreichen ihre Spitzenwerte, wenn es Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschafter und Journalisten geht. Es ist dieses Land des "magischen Realismus", aus dem 80 Prozent der j�hrlich weltweit ermordeten Gewerkschafter kommen. Wer sch�tzt die Besch�tzer der Werkt�tigen? Wer verteidigt die Verteidiger der Menschrechte? Diese Fragen verh�llen eine Titanaufgabe. So gro�, dass die CIOSL (Confederaci�n Internacional de Organizaciones Sindicales Libres) Kolumbien als gef�hrlichstes Land der Welt f�r die Aus�bung gewerkschaftlicher T�tigkeit betrachtet und es zum Schwerpunkt seiner internationalen Arbeit gemacht hat. Luis Hern�ndez Monrroy wei� das sehr gut. Seine Arbeit als Direktor der Gewerkschaft Sintraemcali in Cali - drittgr��te Stadt des Landes, industrieller und unternehmerischer Kern und Epizentrum der Privatisierungswelle - haben ihn zum Ziel von Todesdrohungen gemacht. Er hat die zweifelhafte Ehre, einer von 85 politischen F�hrern bzw. F�hrern der Gewerkschafts- und von sozialen Bewegungen zu sein, die auf der schwarzen Liste der Operation Drachen stehen, eines vor einigen Wochen gestarteten Vernichtungsprojektes unter der F�hrung eines mutma�lichen Milit�rs, der vermutlich mit Geheimdienstmitarbeitern und Paramilit�rs zusammenarbeitet. Der Skandal brach los, als auf Initiative einiger der Bedrohten die Sicherheitskr�fte im Verlaufe mehrerer Durchsuchungen in den H�nden eines angeblichen Obersten verd�chtigen Dokumente des Milit�r-Geheimdienstes fanden , die einige Personen als bewaffnete Ziele auswiesen. Unter ihnen befand sich der Vorsitzende der Partei Polo Democr�tico, Lucho Garz�n, und sogar der Gouverneur Angelino Garz�n. "Die Menschenrechte werden hier 24 Stunden am Tag verletzt. Uribe will gegen�ber der internationalen Gemeinschaft ein positives Image verkaufen, das einer Demokratie, aber in der Praxis haben wir ein (�bles) Regime" erkl�rt Luis. "Die Gewerkschaftsbewegung soll auf die eine oder andere Weise vernichtet werden. Ersten durch die Schlie�ungen. Die Regierung schlie�t willk�rlich Betriebe, in Umsetzung ihres neoliberalen Modells. Zweitens werden die Gewerkschafter mit den Aufst�ndischen in Verbindung gebracht, um sie dann einzukerkern. Und Drittens werden wir systematisch ermordet. Den durch die Operation Drachen Bedrohten hat das Justizministerium mitgeteilt, man werden den Fall untersuchen. Aber welche Hoffnung haben wir? Wie soll man Schutz finden? Sie beim Staat zu suchen, ist so als beauftrage man Dracula eine Blutbank zu bewachen, erkl�rt er weiter. Hunderte von ebenfalls bedrohten Compa�eros umgeben sich mit Sicherheitskr�ften, denen sie vertrauen, um zu verhindern, da� das Mordgespenst zur Wirklichkeit wird. Die Erfahrung hat sie dazu gebracht, den staatlichen Sicherheitsorganen zu misstrauen. Aber es geht nicht nur um die Bedrohung aus der Operation Drachen. Dutzende von Schwarzen Listen kommen jeden Tag zum Vorschein, h�ngen wie ein Damokles-Schwert �ber den Aktivisten, deren Namen zu Hunderten auf den Listen erscheinen. Allein in der Stadt Barranquilla (die viertgr��te des Landes) wissen 70 Gewerkschafter, da� sie sich im Fadenkreuz befinden. F�r sechs von ihnen hat sich die Drohung bereits erf�llt. Der Tod ist nichts exotisches. Die Anwalt-Delegation, die das Land im M�rz auf Bitten der Internationalen Kommission f�r die Rechte der Werkt�tigen besuchte, stellt in ihrem Abschlu�bericht fest, da� es "wahrscheinlich schneller, billiger und weniger risikoreiche ist, die beteiligten Gewerkschafter zu ermorden, als einen Arbeitskonflikt durch die daf�r vorgesehenen zivilen Verhandlungen zu l�sen." Die Zahlen st�tzen diesen Eindruck : Nach den Berechnungen der CUT (Central Unitaria de Trabajadores) und der Nationalen Gewerkschaftsschule wurden seit der Amts�bernahme durch Uribe mindestens 164 Gewerkschafter (178 nach der CIOSL) ermordet, au�erdem gab es Tausende von Verletzungen ihrer Rechte. Die CIOSL hat festgestellt, da�, wie es die offiziellen Zahlen der Regierung glauben machen, die Zahl der ermordeten Gewerkschafter im Vergleich zu den 184 aus dem Jahr 2002, zur�ckgegangen ist. Aber die Morde sind nur die Spitze des Eisberges. Wie die Organisation zugleich hervorhebt, sind andere Formen der Vernichtung und der Unterdr�ckung angewachsen; Morddrohungen, Entlassungen, das gewaltsame Verschwindenlassen, die Entf�hrungen ... W�hrend der Regierungszeit Uribes wurden - so sch�tzt die CIOSL - mehr als 670 Gewerkschaftsf�hrer bedroht (gegen�ber 357 im entsprechenden Zeitraum der Regierung Pastrana), es gab 104 willk�rliche Verhaftungen (10 w�hrend der vorangegangenen Regierung) und es sind 14 illegale Durchsuchungen vorgenommen worden (2 unter Pastrana). Selektive Massaker DIE MULTIS BILDEN PARAMILIT�RISCHE GRUPPEN, UM DIE BEV�LKERUNG DER WIRTSCHAFTLICH BESONDERS INTERESSANTEN REGIONEN ZU T�TEN UND ZU VERTREIBEN. SCHLUSS MIT DER DIKTATUR IN KOLUMBIEN ES SIND SCHON MEHR ALS 3,5 MILLIONEN DURCH DEN STAATSTERRORISMUS UND DEN TERROR DER MULTIS VERTRIEBEN WORDEN. "Die Gewerkschaftsfunktion�ren verweisen darauf, dass es keine willk�rlichen Morde gibt, sondern da� es sehr pr�zise darum geht, diejenigen zu beseitigen, die ihre Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen vertreten, das Streikrecht zu torpedieren und die Privatisierungen zu erleichtern. Diese Behauptung wird durch Daten gest�tzt: Dieses Jahr kamen weniger als 50.000 Kolumbianer in den Genu� von positiven Ergebnissen bei Tarifverhandlungen. Und von den 30 Streiks, die es bisher im Jahr 2004 gab, wurden 27 als illegal oder sogar terroristisch erkl�rt. Man kann nicht wirklich von einer Demokratie reden, wenn weder das Demonstrations- noch das Streik- noch das Recht auf Gewerkschaften gew�hrleistet ist." berichtet Pilar Morales, Sekret�r f�r Zusammenarbeit der CCOO (spanische Gewerkschaftszentrale) aus Madrid und zugleich Vorsitzende der Stiftung Paz y Solidaridad (Frieden und Solidarit�t). Beide Organisationen widmen sich seit Jahren der Unterst�tzung der Gewerkschaftsbewegung in Kolumbien. Gemeinsam mit Pilar Morales haben weitere 46 Vertreter von Gewerkschaftsorganisationen aus 19 L�ndern und von 4 internationalen Organisationen eine internationale Delegation gebildet, die das Land im vergangenen September als Reaktion auf den Hilferuf der kolumbianischen Gewerkschaftsbewegung besuchte. Die Delegation hat am eigenen Leib die Angst erlebt, die extremen Sicherheitsma�nahmen miterlebt, mit den die Gewerkschafter, die Menschenrechtsaktivisten, die Volksf�hrer, Werkt�tigen im Gesundheitswesen, Lehrer und viele andere leben m�ssen. Sie alle geh�ren zu den Risikogruppen, auf die es die bewaffneten Schwadronen und paramilit�rischen Kommandos besonders abgesehen haben. Laut der FECODE (Federaci�n Colombiana de Educadores / Kolumbianische F�deration der Erzieher) wurden zwischen 2000 und 2003 insgesamt 191 Erzieher ermordet, 58 davon nach dem 7. August 2002, dem Amtsantritt Uribes. Und f�r diejenigen, die sich im Fadenkreuz des Terrors befinden, gibt es keinerlei Zweifel, da� mit der Anwendung der "demokratischen Sicherheit" des Pr�sidenten und der Verfassungsreform ihr Leben und ihre gesamte T�tigkeit gef�hrlicher geworden sind. Hern�ndez bringt es auf den Punkt: Die Lage hat sich in den zwei Jahre Uribe verschlechtert. Die Regierung behauptet, da� hinter den Morden keinerlei politische Motive stehen, sie verschleiern dies mit der Behauptung, die Menschenrechtssituation habe sich verbessert, w�hrend die gleiche Regierung in den D�rfern und St�dten Durchsuchungen und Massenverhaftungen von 200,300 oder bis zu 500 Personen durchf�hrt. Wenn fr�her die Gef�ngnisse voll waren, so sind sie heute zum Platzen gef�llt - mit Unschuldigen, die einfach verhaftet und eingekerkert werden. Man kann vor der Welt nicht von einer Verbesserung der Menschenrechtssituation reden und zugleich das Milit�r auf die Bev�lkerung loslassen." "Die Anti-Gewerkschafts-Politik der Regierung und der Unternehmer, ihre Behauptungen, die Gewerkschaften seien am Bankrott des Landes schuld, seien Handlanger der Guerilla und des Terrorismus, haben ihren Beitrag dazu geleistet, da� die Akteure der Gewalt die besten M�nner und Frauen ermorden, die sich im gewerkschaftlichen und politischen Kampf engagieren. Der Staat hat daran eine direkte und indirekte Mitschuld, so wie im Falle Arauca", heisst es in dem gemeinsamen Dokument der drei gro�en Gewerkschaftszentralen des Landes, CUT, CTC und CGDT. Der Fall, auf den sich der Bericht bezieht, ist die Ermordung von H�ctor Alirio Mart�nez, Leonel Goyeneche und Jorge Prieto, drei historische F�hrer aus der Region Arauca, die am 5. August dieses Jahres r�cklings niedergestreckt wurden, und zwar durch Angeh�rige der kolumbianischen Armee, die jetzt verhaftet worden sind. Verzerrung der Realit�t Trotz der Enth�llung der Untersuchungsorgane, trotz gewisser Beweise (sie waren unbewaffnet und wurden nachts barfuss aus ihren Wohnungen gerissen) und trotz des Berichtes der Staatsanwaltschaft selbst, bestanden milit�rische Quellen darauf, es habe sich um ein gew�hnliches Gefecht mit subversiven Kr�ften gehandelt. Der Verteidigungsminister qualifizierte die Ermordeten als Guerilleros der ELN, die von der Justiz gesucht worden seien. Durch diese Umst�nde sind die Morde zum Paradigma der Wut bei den Gewerkschaften geworden, haben dazu gef�hrt, da� sich gewerkschaftliche und soziale Organisationen voller Abscheu gegen die Regierung Uribe erhoben haben. "Einer der Erfolge der Gewerkschaftsdelegation besteht darin, dass diese Morde nicht der Strafjustiz zugerechnet wurden, sondern als Verbrechen gegen die Menschenrechte betrachtet werden. Ansonsten hei�t es im Falle von ermordeten Gewerkschaftern immer, es handele sich um Beziehungstraftaten (Morde wegen einer Frau), der Tote habe Verbindungen zur Guerilla gehabt oder es handele sich um ein gew�hnliches Gewaltverbrechen, eine Abrechnung. Es ist jedoch belegt, da� diese Personen wegen ihrer gewerkschaftlichen T�tigkeit ermordet werden, so wie F�hrerinnen der Bewegung von werkt�tigen Frauen im informalen Sektor oder Menschenrechtsaktivisten ermordet werden. Journalisten, Abgeordnete, Ratsmitglieder und B�rgermeister werden ermordet. Und man versucht, diese Morde als gew�hnliche Verbrechen zu tarnen. Aber wie in jeder konflikterf�llten Gesellschaft gibt es viele, die die Aufmerksamkeit auf diese Tatsachen lenken, Frauenkollektive, indigene Gruppen, Intellektuelle, selbst Regierungsfunktion�re, die eine demokratische Gesellschaft wollen. Das Gute der Mobilisierung der Zivilgesellschaft ist, das dadurch alles ans Tageslicht bef�rdert wird und die Straffreiheit der T�ter verhindert wird", erkl�rt Morales. �ber deren Verantwortung f�r die Unterlassung des Schutzes der Gewerkschaftsaktivisten und Menschenrechtsverteidiger hinaus, betrachten die Gewerkschaften und sozialen Organisationen die Regierung Uribe und ihre Sicherheitskr�fte als der Komplizenschaft verd�chtig. Einerseits lebte gerade zu einem Zeitpunkt, da die Regierung Uribe �ber den Frieden und die Demobilisierung von 20.000 Paramilit�rs verhandelt, die Debatte die zahlreichen Verdachtsmomente f�r Verbindungen zwischen Angeh�rigen der Sicherheitskr�fte des Staates und den Paramilit�rs wieder auf. F�lle, wie die Ermordung der drei F�hrungskr�fte aus Arauca oder die Operation Drachen haben die Stimmung angeheizt und die Anschuldigungen der Passivit�t gegen�ber der Exekutive wieder befl�gelt. "Alles, was mit �ffentlichen Geld bezahlt wird, muss durch die �ffentlichkeit kontrolliert werden und sich in transparenter Weise rechtfertigen. Wir sind gegen jede Art von Terrorismus. Die Regierung darf nicht damit einverstanden sein, da� Milit�rs, gleich welchen Ranges, Hausdurchsuchungen, Morde oder eine Operation Drachen durchf�hrt, unterstreicht Pilar Morales. Andererseits f�hren die Anschuldigungen, die gegen Menschenrechts- und Gewerkschaftsaktivisten erhoben werden, dazu, dass sie ins Visier der Herren des Todes geraten. Die hinterh�ltige Ermordung des Soziologen und Hochschullehrers Alfredo Correa de Andreis am 17. September dieses Jahres in Barranquilla, durch die Kugeln eines gedungenen M�rders, zeigt dies deutlich. Wochen vor seinem Tod hatte die Staatsanwaltschaft auf Grund von Aussagen eines Wiedereingegliederten, der ihn als Ideologen der FARC denunzierte, die Festnahme von Correa de Andreis angeordnet. Auch wenn die Staatsanwaltschaft die Festnahme aufhob und seine Freilassung anordnete (und die Anschuldigungen verwarf) war Correa dadurch bereits zum Ziel der Paramilit�rs geworden. Soziale Mobilisierung Das Unbehagen und die Wut gehen aber weit �ber die Gewerkschaften hinaus. Die Berichte der internationalen Organisationen wie Amnesty International oder HRW stimmen immer wieder �berein, wenn um die Schw�che der rechtlichen Garantien geht. Ein guter Teil der Zivilgesellschaft hat sich gegen die so genannte demokratische Sicherheit gewandt. Der Marsch f�r das Leben hat im September Zehntausende auf die Stra�en gebracht - angef�hrt von den Indigenas, um gegen das Verschwindenlassen und die Ermordung von Dutzenden kolumbianischen Indios in den letzten Monaten und gegen die sch�dlichen Folgen der Privatisierungen und der Wirtschaftsreform zu protestieren. Mit der festen Absicht, in dieser Situation Widerstand zu leisten gingen die sozialen Bewegungen unter F�hrung der Gewerkschaften am 12. Oktober auf die Stra�e. Die beiden wichtigsten Gewerkschaftszentralen - CUT und CTC - haben sich daf�r ausgesprochen zusammenzugehen, um ihr Gewicht zu erh�hen und ihre internationale Ausstrahlung zu st�rken. "Wir haben die internationale Verpflichtung, mit der Straffreiheit und der Anonymit�t (der T�ter) Schluss zu machen und uns jedwedem Vertrag zu widersetzen, der Waffen f�r Uribe bedeutet. Wir m�ssen erreichen, da� solche Operationen wie die Operation Drachen in Zukunft lediglich auf dem Papier bleiben", versichert Morales. Oder wie Luis Hern�ndez feststellt, "diese Angelegenheit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu halten, kann dazu beitragen, uns am Leben zu erhalten." Der Vernichtungsfeldzug in Zahlen: � 90 ermordete Gewerkschafter zwischen Mai 2004 und April 2004, 8 weitere sind Attentaten zum Opfer gefallen, 48 haben 2004 ihr Leben verloren, davon waren 16 Gewerkschaftsf�hrer � Im Verlaufe dieses Jahres sind 5 Gewerkschaftsf�hrer bzw. -aktivisten verschwunden, 6 wurden entf�hrt und 92 mit Gewalt vertrieben. Mehr als 20 wurden verhaftet, 43 waren �bergriffen ausgesetzt, es gab 7 illegale Durchsuchungen. � In den fast 4000 Mordf�llen an Gewerkschaftern in den letzten 15 Jahren gab es lediglich 5 Verurteilungen der T�ter. � Kolumbien hat einen der niedrigsten gewerkschaftlichen Organisationsgrade in Lateinamerika, lediglich 4% der Arbeiter sind gewerkschaftlich organisiert. � Im Jahre 2004 wurden nur 3 Gewerkschaften gegr�ndet, von den 112 im Jahre 2003 ausgerufenen Streiks wurden 111 f�r illegal erkl�rt � Seit 1993 wurden 650 Lehrer ermordet. E-Mail: netzwerkvozdelanuevacolombia@hotmail.com Website: http://www.nuevacolombia.de |