UNIVERSITÄT, KONFLIKT UND MENSCHENRECHTE VOZ de la Nueva Colombia - 09.10.2004 18:58
Gestützt auf einen autoritären Staat, möchte das gegenwärtige politische Regime mit al-len Mitteln glauben machen, in Kolumbien gebe es keinen Konflikt, sondern lediglich “ei-ne Herausforderung”. So hat es jedenfalls der gegenwärtige - vorübergehende -kolumbianische Präsident in Quito dargestellt, als Menschenrechtsorganisationen ihn we-gen der Tolerierung des maßlosen Staatsterrorismus angriffen; genau so ist es ihm auch in Europa ergangen, als er in seiner Einsamkeit die Proteste der internationalen Öffent-lichkeit nicht zum Schweigen bringen konnte. Es waren Proteste gegen die anhaltende, vielfache und systematische Verletzung der Menschenrechte, für die durch Taten, Unter-lassungen oder Duldung der Staat verantwortlich ist, dem er vorübergehend vorsteht. Das Internationale Humanitäre Recht und der Charakter des Konflikts in Kolum-bien. Vortrag für die Versammlung des Nationalen Hoschhullehrerbundes; Bogotá, Oktober 2004 UNIVERSITÄT, KONFLIKT UND MENSCHENRECHTE Gestützt auf einen autoritären Staat, möchte das gegenwärtige politische Regime mit al-len Mitteln glauben machen, in Kolumbien gebe es keinen Konflikt, sondern lediglich “ei-ne Herausforderung”. So hat es jedenfalls der gegenwärtige - vorübergehende -kolumbianische Präsident in Quito dargestellt, als Menschenrechtsorganisationen ihn we-gen der Tolerierung des maßlosen Staatsterrorismus angriffen; genau so ist es ihm auch in Europa ergangen, als er in seiner Einsamkeit die Proteste der internationalen Öffent-lichkeit nicht zum Schweigen bringen konnte. Es waren Proteste gegen die anhaltende, vielfache und systematische Verletzung der Menschenrechte, für die durch Taten, Unter-lassungen oder Duldung der Staat verantwortlich ist, dem er vorübergehend vorsteht. Es ist ein vertragsbrüchiger Staat, der selbst jene internationalen Normen nicht erfüllt, die er anzuerkennen behauptet, und dessen Führung außerstande ist, der Staatenge-meinschaft für die in Verträgen, Vereinbarungen, Abkommen, Konventionen, Chartas, Erklärungen, Modus Vivendi und Protokollen eingegangenen internationalen Verpflich-tungen einzustehen. Ganz so, als hinge die Einhaltung, Erfüllung und Anwendung dieser Normen nicht vom selbstverständlichen “pacta sunt servanda” (1) ab, sondern von der Verlogenheit und den faschistischen Merkmalen, die ihn gegenwärtig charakterisieren. Die Normen des Internationalen Humanitären Rechts, dessen Konventionen und Protokol-le in die kolumbianischen Verfassung (2) aufgenommen wurden, wie das gegenwärtige Regime und seine Schönredner immer wieder hervorheben, nehmen darin erst mit erheb-licher Verspätung einen hervorgehobenen Platz ein, werden aber immer noch nicht an-gewendet. Der Staat ist nicht einmal zum Abschluss bilateraler humanitärer Abkommen bereit, die dem Austausch von Personen dienen, die in Zusammenhang mit dem sozialen und be-waffneten Konflikt in Kolumbien ihrer Freiheit beraubt wurden. Es besteht auf Regie-rungsseite weder der politische Wille noch die Bereitschaft, hieran etwas zu ändern; auch nicht zur Aufklärung des Schicksals tausender Verschwundener – der vom Staat einge-setzten Form der Freiheitsberaubung zur Bekämpfung der politischen Opposition – die weder heimgekehrt sind noch gefunden und bestattet werden konnten, von denen es we-der Lebenszeichen noch Nachrichten für die Angehörigen gibt, deren Ungewissheit und Trauer andauert. Es ist dies ein Verbrechen, das in unserem Strafrecht normiert ist im Sinne des Statuts von Rom, das im übrigen eine Amnestierung des Verschwindenlassens verbietet, die heute in Kolumbien geplant ist (3). Das internationale Recht schreibt hierzu die Dreistufigkeit Wahrheit, Gerechtigkeit und vollumfängliche Entschädigung vor, die un-ser Staat immer wieder zu umgehen sucht und nur umsetzt unter dem Druck internatio-naler Organe oder Gerichte – zuletzt der Interamerikanischen Menschenrechtskommissi-on oder des Interamerikanische Gerichts für die Menschenrechte mit Sitz in San José, Costa Rica. Der kolumbianische Konflikt als angeblicher Standardfall Dem einschlägigen internationalen Recht zufolge, ist der kolumbianische Konflikt ein ju-ristischer Standardfall: Eine bewaffnete Auseinandersetzung ohne internationale Beteili-gung. Dies entspricht der Fallbeschreibung des II. Zusatzprotokolls der Genfer Konventi-on und ist folglich unmittelbarer Bestandteil der kolumbianischen Verfassung, da nach Urteil C-225 vom 18. Mai 1995 das Gesetz 171 vom 16. Dezember 1994 zur Übernahme internationalen Rechts, vollziehbar wurde. Es handelt sich also um einen Konflikt, in dem reguläre staatliche, verfassungskonforme Streitkräfte anderen Truppen gegenüberstehen, die ebenfalls bewaffnet und identifizierbar sind, die eine bekannte Uniform und sichtbare Waffen tragen, Befehlen folgen, die das Kriegsrecht kennen und beachten und schließlich irgendwann sogar von dem von ihnen in bewaffneter Form bekämpften Staat anerkannt wurden. Der gegenwärtige, vorübergehende Präsident Kolumbiens kann oder will nicht die Ver-bindlichkeit dieser internationalen Rechtsbestimmungen anerkennen; oder er hält es für nicht vorteilhaft, den Konflikt in dieser standardisierten Form zu akzeptieren. Man sollte an den peruanischen Präsidenten-Diktator Fujimori erinnern, der auch faschis-tische Merkmale, Korruption, hohe Umfrageergebnisse aufwies und systematisch die Menschrechte und das Internationale Humanitäre Recht ignorierte. Dies kostete ihn in-ternational und national den Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit , und er musste schließlich vor der Justiz seines Landes ins Ausland fliehen. Staatliche Pervertierung des Internationalen Humanitären Rechts Die juristischen und politikwissenschaftlichen Fakultäten können die widersinnige Inter-pretation des Internationalen Humanitären Menschenrechts durch den Staat und die ge-genwärtige Regierung als Instrument zur Bekämpfung der Opposition nicht akzeptieren. Es handelt sich dabei gerade um humanitäre Normen. Dies ist vergleichbar mit der staatlichen Nutzung eines ärztlichen Rettungswagens als Kriegspanzer Auf widersinnige und gefährliche Weise sind der kolumbianische Staat und das gegenwär-tige politische Regime nicht bereit, den Krieg zu beenden oder zu humanisieren, im Ge-genteil: Sie betreiben seine Verschärfung zu Lasten der Menschen-rechte, des Fort-schritts und des sozial gerechten Friedens, die von der wirklichen Mehrheit der Nation er-sehnt werden. Jedes soziale Problem wird vom Staat zu einem der öffentlichen Ordnung gemacht (4), zu einer kriegerischen Auseinandersetzung in der Opfer zu Tätern argumentiert werden; es ist die Verwendung des Rechts als Herrschaftsinstrument, als Kriegsmittel. Es ist das Recht im Dienste der Klassen die vorübergehend den Staatsapparat beherrschen. Dieser Staat, der sich als Rechtsstaat bezeichnet, setzt keine Maßnahme um, die den so-zialen, wirtschaftlichen , kulturellen und politischen Bedürfnissen und Forderungen des Volkes, der stetig zunehmenden Arbeitslosen und den täglich weiteren Beschränkungen unterworfenen Arbeitern entspricht. Der Staat zeigt weder Bereitschaft zum Frieden noch zum Wandel, er demonstriert ledig-lich seinen Willen zum Krieg für die Aufrechterhaltung von Macht und Privilegien. Die Stärkung des alternativen Rechts ist eine Verpflichtung für die Studenten, Dozenten und Mitarbeiter der juristischen Fakultäten Kolumbiens und der wirklichen Menschen-rechtsorganisationen; jener Menschenrechtsorganisationen, die sich nicht dafür herge-ben, die Bedürfnisse der Armen lediglich politisch zu instrumentalisieren und mit den Geldern, die von Förderern der neoliberalen Globalisierung kommen, soziale Hilfspro-gramme zu betreiben, die letztlich die Taschen jener opportunistischen Organisationen füllen, die eine angebliche “aktive Neutralität” oder Konfliktverweigerung proklamieren, ganz so, als ginge es darum, den Konflikt zu ignorieren oder die Volksbewegung in die Resignation zu führen. Noch ist eine bessere Welt möglich!! Wir unterstützen die Interuniversitäre Plattform für die Menschenrechte, Mitglied des Komitees für die Verteidigung der Menschenrechte in Kolumbien. Grenzen des Internationalen Humanitären Rechts zur Beschreibung des kolum-bianischen Konflikts Hielten wir uns nur an die Normen des Internationalen Rechts, wäre dies ein Konflikt in der bereits beschriebenen Form: Ein interner bewaffneter Konflikt ohne internationale Beteiligung. Mithin ein Standardfall im Rahmen des internationalen Rechts. Die Wirklichkeit ist allerdings anders. Es wird behauptet, dass es in Kolumbien Gewalt gibt, weil es Aufruhr gibt. Alle sozialwissenschaftlichen Untersuchungen, Rechtsgutachten und politischen Analysen der juristischen Fakultäten, Stellungnahmen der Organisationen zum Schutz der Men-schenrechte und schließlich die Wirklichkeit selbst belegen das Gegenteil. Aufruhr und Massenkämpfe gibt es, weil es wirtschaftliche und soziale, kulturelle, politi-sche und rassische Gewalt des Staates gegen seine Bürger gibt, genauer gesagt, gegen das Volk und die Arbeiter, die ein Leben in Würde wollen. Das Volk wird auf unterschied-liche Weise durch die neoliberale Politik und antidemokratische Maßnamen des Staates angegriffen Diese vielgestaltige Volksbewegung, von anderen als Zivilgesellschaft bezeichnet, wird durch das Zusammentreffen von vier Elementen bestimmt: 1. sie steht in Konfrontation zum Staat 2. sie ist von staatlichem Handeln benachteiligt 3. sie wird vom Staat nicht vertreten 4. der Staat, der durch internationale und nationale Rechtsnormen verpflichtet ist, die Menschenrechte zu garantieren und zu verteidigen, verstößt gegen diese Pflichten durch eigenes handeln oder unterlassen oder durch Unterwerfung unter die vorherrschende imperialistische Politik. Der Staat und sein gegenwärtiges politisches Regime vertiefen den Konflikt, dessen Ur-sprung im grundsätzlichen Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Produktion des Reichtums und dessen privater Aneignung liegt. So betrachtet ist der kolumbianische Konflikt kein juristischer Standardfall, sondern ein Konflikt mit ganz eigenem, kolumbianischen Charakter, zugleich sozial und militärisch, in dem es weder Akteure noch Zuschauer gibt: Es ist ein komplexer, vielseitiger Konflikt, an dem das gesamte Volk in der einen oder anderen Weise beteiligt ist, in dem es auch nicht die vorgebliche aktive Neutralität gibt. Wie ein bekanntes Lied sagt : Alle müssen Rumba tanzen – und die Realität zeigt, dass niemand in diesem sozialen und gewaltsamen Kon-flikt unbeteiligt sein kann. (1) Jeder wirksame Vertrage verpflichtet alle Beteiligten zur Erfüllung nach bestem Wissen und Ge-wissen. (2) Mit Verspätung wurde mit dem Gesetz zur Zustimmung eines Internationalen Vertrages Nr. 171/1994 dem Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention vom 12. August 1949 über den Schutz der Op-fer von bewaffneten Konflikten ohne internationalen Charakter – „II. Protokoll“, Genf, 08. Juni 1977 – zugestimmt. Die Ausführung des Gesetzes wurde durch das Urteil C-225-95 des Verfassungsgerichts vom 18. Mai 1995 genehmigt. Berichterstatter des Gerichts war Dr. Alejandro Martínez Caballero. (3) Sterling, Athernay: “Si hay Argumentos Jurídicos para acuerdos hacia el canje humanitario pero no existe voluntad política ni de cambio para implementarlo” Revista Impacto 40 # 9 ISSN 0124-7417 Universidad Santiago de Cali, August 2004. Auch veröffentlicht von Legis, Anncol, Argenpress, Dp & Dh, Caracul (Website der Familienangehörigen der 12 Abgeordneten aus Valle, die von den Aufstän-dischen gefangen gehalten werden) sowie weiteren Zeitschriften und journalistischen und wissen-schaftlichen Publikationen in Europa, America und Kolumbien. (4) Die Pönalisierung des sozialen Protestes ist bekannt als Instrument im krieg der kolumbianischen herrschenden Klassen gegen das Volk und die Arbeiter. E-Mail: voz@nuevacolombia.de Website: http://www.nuevacolombia.de |