Spanien kündigt turbulente Zeiten an Claudia Cinatti und Juan Chingo - 26.03.2004 15:13
Das brutale Attentat vom 11. März in Madrid und die dramatischen Entwicklungen danach, welche zu einem vollkommen unerwarteten Sieg der PSOE (Partido Socialista Obrero Español) geführt haben, werden wichtige Konsequenzen haben, in Spanien genauso wie auf internationaler Ebene. Die Niederlage der Volkspartei (PP) von José María Aznar, ist ein herber Schlag für Bushs Strategie, der damit einen wichtigen Alliierten für seine kriegstreiberische Politik verloren hat und das zu einem Zeitpunkt, zu dem seine Präsidentschaft durch die Manipulationen und Lügen in Frage gestellt wird, mit denen er den Irakkrieg gerechtfertigt hat. Die Ereignisse wie wir sie in Spanien gesehen haben, sind nur zu verstehen, wenn man sie im Rahmen der weltweit instabilen und explosiven Lage betrachtet, die von brüsken und brutalen Richtungswechseln sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft, genauso gekennzeichnet ist , wie von der Aktion der Massenbewegungen. Die Attentate gegen die Twin Towers vom 11.09.2001, haben die Entscheidung der Bushregierung (die durch Wahlmanipulation an die Macht gekommen war und der es an Legitimation fehlte) eine offensive und unilaterale imperialistische Politik zu starten, beschleunigt. Diese versucht, auf die große militärische Stärke der USA gestützt, die Herrschaft der USA über die Welt neu zu definieren. Der Krieg gegen Afghanistan und noch mehr der gegen Irak, führte zu einer wachsenden Polarisierung auf internationalem Niveau, die sich in den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten gezeigt hat. Außerdem zeigte sie sich in dem in Erscheinung treten einer bisher ungekannten Massenbewegung, die von den mit den USA alliierten Ländern ausging – Groß Britannien, Spanien, Italien – wo Millionen gegen diesen imperialistischen Krieg auf die Straße gingen. Die Wahlniederlage der PP in Spanien kann man nur erklären, wenn man die Kombination dieser enormen internationalen Widersprüche und der, die sich in Spanien selbst während der Regierungszeit des ultra-rechten Aznar entwickelt haben, im Gesamten betrachtet. 90% der Spanier hatten sich gegen die Teilnahme am Irakkrieg gestellt und Millionen gingen im ganzen Land auf die Straße, um gegen die Entscheidung der Regierung, sich bedingungslos auf die Seite der Amerikaner zu stellen, zu protestieren. Das brutale Attentat in Madrid, das 200 Menschen das Leben gekostet hat, in ihrer überwiegenden Mehrzahl Arbeiter und Studenten, gab den Ausschlag dafür, dass sich diese Widersprüche auf der Strasse und im Wahlergebnis ausdrückten. Direkt nach dem Attentat kamen die Lügen der Aznar Regierung ans Licht, welche versuchte der baskischen Separatisten Organisation ETA die Schuld an dem Massaker zu geben, um zu verdecken, dass sie Schuld daran waren, dass das spanische Volk die Konsequenzen für ihre imperialistische Politik bezahlte. Die Haltung der Regierung, die versuchte, die Angst der Bevölkerung zu nutzen um sich Vorteile bei den Wahlen zu verschaffen, zeigte einmal mehr die Kontrolle der Regierung über die Medien und die sklavische Dienstbarkeit dieser, die nicht zögern, die Rechtfertigungen der Regierungen zu veröffentlichen, welche diese dazu nutzen solche Massaker wie den Irakkrieg anzurichten. Sie zeigte außerdem die Unterwürfigkeit der PSOE und selbst IU (Vereinigte Linke) gegenüber der PP, die sich sofort in die "nationale Einheit" einreihten, welche Aznar zu schaffen suchte. Aber vor allem hat sie dazu geführt, dass Tausende auf den Straßen versammelten, dem Versammlungsverbot trotzten und sich dagegen wehrten, dass die Regierung die Toten und Verwundeten für den Wahlkampf nutzen wollte. Sie schrieen ihre Empörung darüber ganz Spanien und der ganzen Welt zu, skandierten Slogans gegen die Besetzung des Irak, die den Rückzug der spanischen Truppen forderten. Schließlich am Sonntag den 14. März gaben sie den Wahlsieg an die PSOE. Die tiefen Widersprüche, die zur Niederlage Aznars geführt haben Obwohl es offensichtlich war, dass die PP langsam auf dem Niedergang war und viel darüber diskutiert wurde, dass sie gewinnen würde ohne sich nochmals die absolute Mehrheit sichern zu können die sie bis dato hatte, gab es vor dem 11. März keinerlei Anzeichen, die dafür sprachen, dass ihr Kandidat Rajoy verlieren würde. Denn tatsächlich ist es eher so, dass die PP verloren hat, als dass die PSOE gewonnen hätte. Die Partei von Rodríguez Zapatero und Felipe González, eine Partei der Kapitalismus Befürworter, die aus lauter absolut korrupten Politikern besteht, obwohl sie sich "obrero" (Arbeiter) und "socialista" (sozialistisch) nennt, hätte auf gar keinen Fall die PP ultimativ besiegen könne, wenn sich nicht etwas so ausschlaggebendes wie das Attentat von Madrid ereignet hätte, mit allen seine Konsequenzen die es nach sich zog. Die siegessichere Perspektive der PP gründete sich vor allem auf eine nach rechts verschobene soziale Basis, die von ihrer neoliberalen Politik profitierte. Während seiner Regierungszeit "führte" Aznar Spanien aus der wirtschaftlichen Krise, die dazu geführt hatte, dass Spanien die höchsten Arbeitslosenzahlen in ganz Europa hatte, indem er die Errungenschaften der Arbeiterklassen abschaffte, die Arbeitsbedingungen "flexibilisierte" und die EU Subventionen geschickt nutzte. Auf diese bekannte Art und Weise schaffte er 4,5 Millionen ultra prekäre Arbeitsplätze und profitierte von der billigen Arbeitskraft der Einwanderer. Die PP schärfte die Krallen ihrer imperialistischen Unternehmen die sich quasi aus dem nichts in große multinationale Konzerne verwandelten, wie z.B. Repsol oder Telefónica in Lateinamerika. Dieser Prozess hatte bereits unter der "sozialistischen" Regierung Felipe González eingesetzt. Diese Situation hat zu einer wachsenden sozialen Polarisierung geführt: auf der einen Seite entstand eine neue zutiefst fremden- und arbeiterfeindliche Mittelklasse und auf der anderen Seite gab es Massen von spanischen und zugewanderten Arbeitern die schlecht bezahlt und "flexibilisiert" waren. Die Regierung der PP stellte das letzte Kapitel eines Prozesses der "kapitalistischen Modernisierung" dar, den Spanien seit dem Ende der Franko Diktatur Ende der 70er Jahre durchlaufen hat, und der es möglich machte, dass Spanien sich heute zu den 10 wichtigsten Wirtschaftsmächten der Erde zählen kann. Die imperialistische Demokratie Spanien ist aus dem "Pacto de la Moncloa" entstanden, der sich auf die reaktionäre Übereinkunft der Parteien des Regimes gründete, der sich auch die spanische KP anschloss. Daraus entstand auch die Verfassung von 1978 die die Kontinuität der Monarchie gewahrt hat und als höchsten Wert die nationale Einheit hochhält, die auf der Unterdrückung der Unabhängigkeitsbestrebungen des Baskenlandes und Kataloniens basierte. Allerdings hat dieser "Modernisierungsprozess" zu Widersprüchen und Rissen geführt, die in den letzten Jahren durch die von der PP –einer aus dem Inneren des Frankismus entstandenen Partei - verfolgte Politik der erneuten Affirmation des "españolismo" und ihre "Antiterrorkampagne" gegen die ETA verstärkt worden sind. Die baskischen und katalanischen Bourgeoisien die ihre Unterwerfung unter den spanischen Staat im Gegenzug für einige profitable Geschäfte akzeptiert hatten, fingen jetzt erneut an, über die Bedingungen ihrer Teilnahme am spanischen Staat zu verhandeln, und verlangten zum Beispiel das Recht auf eigene Faust ihre Einbindung in die EU zu verhandeln. Vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, wird der unterdrückerische Charakter des Spanischen Regimes samt seiner monarchistischen und katholischen Rhetorik schon seit geraumer Zeit von der Mehrheit der Jugendlichen abgelehnt, was sich auch massiv in den Studentenstreiks und in der Antikriegsbewegung ausgedrückt hat. Obwohl die Arbeiterbewegung schwere Niederlagen erleiden musste und die Gewerkschaftsbürokratie fleißig bei der "neoliberalen" Modernisierung mitgearbeitet hat, entwickelten sich im letzten Jahr einige heftige Arbeitskämpfe und Zusammenstöße mit der Polizei, die ein Spanien der Arbeiter und der Massen zeigen, was immer noch nicht vollständig die politische Bühne betreten hat. Zu diesen inneren Widersprüchen kam Aznars aggressive Außenpolitik. Mit dem Ziel seine Verhandlungsbasis als kleinerer Verbündeter der USA in Lateinamerika zu verbessern, ließ er sich auf die Widersprüche ein die Bushs Politik in der ganzen Welt auslöste indem er sich am Irakkrieg und der Besetzung des Iraks gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung beteiligte. Das Attentat vom 11. März wirkte quasi als Katalysator, der einen radikalen Wechsel im Bewusstsein der Massen auslöste, was sich in einer erhöhten Wahlbeteiligung ausdrückte und im Triumph Rodríguez Zapateros kanalisiert wurde. Rodríguez Zapatero wird versuchen, innen- und außenpolitisch, die krassesten Gegensätze abzuschwächen. Während er zwar die Verpflichtung zum "Kampf gegen den Terrorismus" und den zentralistischen und unterdrückerischen Charakter des spanischen Staates im Großen und Ganzen aufrechterhalten wird, wird er wahrscheinlich größere Dialogbereitschaft gegenüber den verschiedenen Nationalitäten in Spanien zeigen und, falls die Umstände dies erforderlich machen, wohl auch kleineren Verfassungsänderungen zustimmen um die Situation besser unter Kontrolle zu halten und den Auflösungstendenzen des spanischen Staates entgegen zu wirken. Diese Aufgabe wird jedoch alles andere als einfach zu bewältigen sein, nachdem die Nationalisten in letzter Zeit deutlich stärker geworden sind, wie man zum Beispiel an dem Wahlerfolg von Esquerra Republicana aus Katalonien sehen kann, Welche die neoliberalen und versöhnlicheren Nationalisten von Convergencia i Unió verdrängt hat. Auch die soziale Front wird nicht leicht zu kontrollieren sein, da viele der Sektoren die am meisten unter der Politik der PP gelitten haben, den Wahlsieg der PSOE zur Stärkung ihrer Forderungen nutzen können. Etwas zuviel für eine schwache Regierung, die verkündet hat. in der Minderheit regieren zu wollen. Die internationalen Konsequenzen des 11. März Die internationale Presse hat das Wahlergebnis in Spanien zu Recht als ein Erdbeben auf internationaler Ebene bezeichnet. Es vertieft die Isolierung Bushs und seiner Konsorten, Blair und Berlusconi während es gleichzeitig den von Deutschland und Frankreich geführten europäischen imperialistischen Block stärkt. Dies eröffnet die Möglichkeit einer wichtigeren Rolle der UNO und der Nationen die gegen den unilateralen Krieg Bushs waren im Nachkriegs-Irak. Diese könnten die Krise zu ihrem Vorteil ausnutzen. Das Versprechen Zapateros die spanischen Truppen aus dem Irak bis zum 30. Juni abzuziehen "falls es keine gemeinsame UNO Resolution gebe", verursacht eine gewisse Unsicherheit über die imperialistische Besetzung des Irak, die unter dem Widerstand vor Ort zu leiden hat. Die weniger wichtigen Partner der imperialistischen Militärkoalition, Polen Japan, Italien und Australien, sehen sich einem doppeltem Druck ausgesetzt, dem seitens ihrer eigenen Bevölkerung, die Angst davor hat, Ziel der nächsten Anschläge zu sein und dem der USA, die vermeiden müssen, dass ein möglicher Rückzug der spanischen Truppen sich in eine Gefährdung des imperialistischen Abenteuers im Irak verwandelt. Diese Situation erhöht die Kosten der Besetzung des Irak für Großbritannien und die Regierung Blair, die eine strategische Allianz mit den Vereinigten Staaten eingegangen ist. Bush und die berühmtesten Neokonservativen versuchen bereits dem zuvorzukommen, indem sie den Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak als Nachgeben gegenüber der "Erpressung der Terroristen" bezeichnen. Die amerikanische Regierung erhöht ihren Einsatz, indem sie versucht sich sowohl dem amerikanischen Wahlvolk als auch der ganzen Welt gegenüber, als die einzige Möglichkeit darzustellen, sich dieser Bedrohung für die Sicherheit entgegenzustellen. In diesem Rahmen ist es nicht unmöglich, dass es in nicht allzu ferner Zukunft, zu einer Strafoperation gegen den Norden Pakistans kommen wird, wo sich anscheinend die Kräfte der Al Qaida und sogar Bin Laden selber nach dem Afghanistankrieg zusammengeschart haben. Durch die bevorstehenden Wahlen in den USA ,die die Möglichkeit einer Niederlage Bushs eröffnen, kommt es in den nächsten Monaten zu einer instabilen und angespannten internationalen Lage in der neue Attentate wahrscheinlich und radikale Umbrüche an der Tagesordnung sein werden. E-Mail: kontakt@ft-europa.org Website: http://www.ft-europa.org |