Bolivien und der Kampf ums Gas Trotzkistische Fraktion – Internationale Stra - 15.10.2003 16:54
Das Verständnis der Ereignisse in Bolivien erfordert eine Analyse der verschiedenen politischen Strategien, welche die wichtigsten politischen Organisationen zur Zeit verfolgen. Die Trotzkistische Fraktion - IS will dem deutschen Leser ihre Einschätzung der aktuellen Lage vermitteln 15.10.2003 Bolivien und der Kampf ums Gas Trotzkistische Fraktion – Internationale Strategie www.ft-europa.org www.ft.org.ar Das Verständnis der Ereignisse in Bolivien erfordert eine Analyse der verschiedenen politischen Strategien, welche die wichtigsten politischen Organisationen zur Zeit verfolgen. Die Trotzkistische Fraktion - IS will dem deutschen Leser ihre Einschätzung der aktuellen Lage vermitteln MAS (Bewegung zum Sozialismus) Evo Morales und der MAS wollen trotz ihrer Kritik an der Regierung vom Gonzales de Lozada keinen Zusammenbruch des bürgerlichen Regimes aufgrund des Drucks der Massen. Ihre Politik beschränkt sich darauf, eine parlamentarische Alternative zu sein, die darauf hofft bei den Wahlen 2004 und 2007 die Macht zu übernehmen. Ein Führer der MAS, Antonio Peredo, sagte in einem Interview, dass "...die MAS davon überzeugt ist, dass es für das Volk am besten sei an der Demokratie festzuhalten, da es unmöglich sei, dass die jetzige Regierung bei den nächsten Wahlen gewinnt. Die sozialen Bewegungen werden als Sieger aus diesen Wahlen hervorgehen. Daher sind wir diejenigen, denen am meisten daran liegt den demokratischen Prozess aufrecht zu erhalten und zu garantieren. Daher schöpfen wir alle politischen Möglichkeiten aus, um die Regierung zu Verhandlungen zu zwingen." (Correspondencia de Prensa, Nr. 17) D.h., ihre gesamte politische Strategie beschränkt sich darauf, auf die Wahlen zu warten und bis dahin diese Demokratie, so wie sie ist, inklusive Gonzales de Lozada zu verteidigen. Aus dieser Strategie läßt sich das Verhalten von Evo Morales erklären, der am 19. September der Regierung mit einem Generalstreik drohte. Als dieser jedoch für den 29. September von der COB aufgerufen wurde, entschloß er sich, eine Reise nach Europa und Libyen zu unternehmen, was die Unterstützung der MAS und ihrer Anhänger für den Streik erheblich verzögerte. Statt das Volk bei den wichtigsten Kämpfen der letzen 20 Jahre zu unterstützen, zog er es vor, sich mit Parlamentariern zu treffen. Die reformistische (und dadurch verräterische) Politik der MAS zeigt sich ausserdem darin, dass Evo kürzlich gegenüber der BBC erklärte eine eventuelle Präsidentschaft des jetzigen Vizepräsidenten Mesa zu unterstützen. Dieser hat plötzlich Gewissensbisse ob der vielen Toten und der ganzen Gewalt bekommen, und hat sich daher von der Regierung "distanziert" ohne jedoch zurückzutreten. Dieses Manöver dient jedoch offensichtlich nur der Vorbereitung zur Machtübernahme im Falle eines Sturzes der Regierung des "Gringo". Die CSUTCB (Gewerkschaftbündnis der indigenen LandarbeiterInnen und der ArbeiterInnen in Bolivien) Der "Mallku" Felipe Quispe (Führer der CSUTCB) und weitere 200 Führer der CSUTCB befinden sich seit über einem Monat im Hungerstreik. Der Erfolg dieser Kampfmaßnahme erscheint uns beim besten Willen jedoch sehr zweifelhaft, besonders angesichts der dramatischen Zuspitzung der Lage. Nachdem er sich vorher der Regierung gegenüber sehr kompromissbereit gezeigt hatte, hat seine Rhetorik nach dem Massaker von Warisata einen "Linksruck" erfahren: Aufruf zum Widerstand gegen die Staatsgewalt, ausserdem drohte er mit der Ausrufung der Aymara Autonomie und sogar mit Bürgerkrieg. Trotz dieser kämpferischen Phrasen und seiner Unterstützung des Streiks und der Straßenblockaden, hält er sich die Türen offen, um mit der Regierung auf eigene Rechnung zu verhandeln. Er gibt sogar zu, dass seine Position von der Masse der LandarbeiterInnen nicht mehr akzeptiert wird. Daher traut er sich auch nicht nach Warisata zu fahren, weil wie er sagte "...ich kenne meine Leute. Man muß mit ihnen reden, wenn sie sich abgeregt haben" (Pulso 3/10). Ähnlich wie der MAS, ist ihm nicht daran gelegen, dass neue Organisationsstrukturen entstehen, die seine eh schon angeschlagene Machtposition weiter schwächen. Daher möchte er eine Koordination der Kämpfe auf nationaler Ebene verhindern und für das "Anliegen" seiner Anhänger (Aymara-Autonomie-Bewegung) die besten Verhandlungsbedingungen schaffen. Die COB Die COB ist in den letzten Wochen immer einflussreicher geworden, aufgrund ihrer radikalen Opposition gegenüber der Regierung und des Aufrufs zum unbefristeten Generalstreik. Die COB hat sich seit der Erneuerung der Führung in den Gewerkschaften, bei der die "Kompromissbereiten" durch kämpferische Gewerkschaftsführer ersetzt wurden, politisch stark radikalisiert. In ihrer Mitteilung vom 3. Oktober haben sie dazu aufgerufen den Ausnahmezustand durch den "zivilen" Widerstand zu begegnen. Bis jetzt hat die Regierung jedoch noch nicht gewagt de Ausnahmezustand zu auszurufen, aus Angst dadurch einen allgemeinen Volksaufstand zu provozieren, und weil sie auf Grund des für sie ungünstigen Kräfteverhältnisses befürchten muss, dass Teile der Armee diesen nicht befolgen würden, was zu einem Bruch innerhalb der Streitkräfte führen könnte, den sie auf jeden Fall vermeiden will. Ausserdem haben sie dazu aufgerufen Streiks- und Widerstandskomitees zu bilden, um sich der Repression entgegen zu setzen. Während ihre Rhetorik immer kämpferischer wurde, machte ihre politische Strategie jedoch eine Wende nach rechts: Sie sind eine Allianz mit der "Coordinadora por la defensa de la patria" eingegangen, deren Programm sich auf bürgerlich-nationale Forderungen beschränkt. In den letzten Tagen haben sich allerdings die Positionen der COB unter dem Druck der streikenden Arbeiter weiter radikalisiert und ihr Ansehen ist in der Bevölkerung stark gewachsen. Unter diesem Druck ist es sogar dazu gekommen, dass der Bergarbeiter und führende Kopf der COB, Jaime Solares, über die vermittelnde Haltung der MAS sagte: "Einige reden und andere machen die Revolution auf der Straße" (Gabriel Tavera. Econoticiasbolivia.com, 2/10/03) Bis vor einigen Tagen war die COB nicht sehr bemüht, die bestehenden regionalen Verteidigungskomitees auf Landesebene zu koordinieren. Sie wollten also nicht die Schranken des Syndikalismus überschreiten. Soeben (Mittwoch,den 15. Oktober 2003) haben wir von Radio Erbol erfahren, dass eine bei einer Versammlung, bei der auch Felipe Quispe von der CSUTCB und Evo Morales von der MAS anwesend waren, beschlossen wurde, dass von nun an alle Wiederstandsaktivitäten unter der Leitung der COB verlaufen sollen. Die wichtigsten Gewerkschaften (Bergarbeiter, Dozenten, Dachverbände, etc.) haben ihre Einverständnis mit dieser Koordinationsmaßnahme erklärt. Als erstes wurde ein Verbot erlassen, ohne die ausdrückliche Zustimmung der COB sektorielle Verhandlungen mit der Regierung zu führen. Weiterhin wurde ein einheitlicher Presseausschuss gebildet und die Gründung eines Logistikkommitees beschlossen. Schlussfolgerungen Unter dem Druck der Ereignisse haben die Positionen aller dieser Organisationen eine starke Radikalisierung erfahren. Jedoch verfolgen die MAS, der "Mallku" und die COB letzten Endes alle eine reformistische Strategie: Sie wollen durch Druck auf das Regime und Bündnisse mit Vertretern von "progressiven" Teilen der Bourgeoisie, mit denen sie bestimmte Reformen aushandeln, zur "Demokratie" zurückkehren und den Kapitalismus "menschlicher" gestalten. Die reformistischen, indigenistischen Führungen sowie die Gewerkschaftsbürokratie verfolgen eine Volksfront-Strategie, welche ein Hindernis auf dem Weg der Machtübernahme des Proletariats und seiner Verbündeten darstellt. Deswegen weigern sie sich die Entstehung einer Einheitsfront der kämpfenden Massen voranzutreiben, die nach den Methoden der Arbeiterdemokratie aufgebaut wird. Keine der jetzigen Organisationen ist heute in der Lage ein solches Streikkomitee oder Rat ins Leben zu rufen. Nach Meinung der FT, ist es zur Schaffung eines solchen Komitees notwendig, dass die Protagonisten der aktuellen Kämpfe (Arbeiter, Arbeitslose, Bauern, Studenten, Frauen, etc.) in den Versammlungen, vor allem der COB, mehr Gewicht bekommen. Es ist notwendig eine revolutionäre, internationalistische Partei aufzubauen, die alle Fallen (Volksfronten, Faschismus, Caudillismus) auf dem Weg zu Befreiung von der kapitalistischen Ausbeutung genau erkennt und beseitigt. Diese Partei wird jedoch nicht vom Himmel fallen und wir wollen uns auch nicht selbst dazu proklamieren. Die revolutionäre Partei wird durch die Fusion der proletarischen Avantgarde und des marxistischen Programms in der Hitze des Gefechts entstehen. Damit diese Bewegung Erfolg hat und nicht wie 1952 ausgeht, ist eine revolutionäre Führung mit einer klaren Strategie notwendig. Das Ziel ist die Machtübernahme durch die Arbeiter und Bauern zur Gründung eines Arbeiterstaates, welcher der erste Meilenstein auf dem Weg zu einer Föderation von Sozialistischen Staaten der Pazifikküste ist. Diese soll nur die Vorstufe einer Föderation Sozialistischer Staaten Lateinamerikas sein. Für die Bildung von Streikkomitees und Arbeiterräte Nieder mit Sánchez de Losada und Mesa Für die Verstaatlichung der Rohstoffe ohne Entschädigungen Nieder mit IWF und Weltbank Keine Bezahlung der Auslandschulden Für eine revolutionäre verfassunggebende Versammlung Für eine Arbeiter und Bauernregierung E-Mail: kontakt@ft-europa.org Website: http://www.ft-europa.org |